Kommunisten aus Belgien, der BRD, der Niederlande und Luxemburgs demonstrierten in Aachen
von Manfred Idler & Uli Brockmeyer
»Erschrecken Sie nicht, liebe Bürger der Stadt Aachen«, rief Jens von der Aachener DKP am Samstag den Menschen zu, die verwundert einen Demonstrationszug von mehr als 300 Teilnehmern mit fast so vielen roten Fahnen in den Straßen ihrer Stadt bemerkten. »Hier marschieren Kommunisten aus Belgien, den Niederlanden, aus Luxemburg und aus Deutschland gegen den Krieg und gegen die Teilnahme der Europäischen Union an neuen Kriegen«, erklärte Jens am Lautsprecherwagen der DKP. Und er sagte den Aachenern auch, daß an dieser Demonstration anläßlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges, der von Aachen aus mit dem Überfall der kaiserlich-deutschen Truppen auf das benachbarte Belgien vom Zaune gebrochen worden war, auch Aachener Friedensfreunde, Mitglieder der Aachener Linkspartei und Vertreter der türkischen, portugiesischen und griechischen kommunistischen Parteien teilnahmen. Zuversicht vermittelte die Tatsache, daß unter den Demonstranten auch viele junge Menschen waren, darunter Mitglieder der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und der Kommunistischen Jugend Luxemburgs (JCL), die ihre Fahnen stolz durch die Straßen trugen.
Initiiert wurde dieser Demonstrationszug, der sich am Samstagmittag am Aachener Hauptbahnhof durch die Straßen der Innenstadt in Bewegung setzte, von den kommunistischen Parteien der Benelux-Staaten und der BRD, die seit mehr als neun Jahren in enger Kooperation miteinander arbeiten. Die Partei der Arbeit Belgiens (PTB/PVDA), die Neue Kommunistische Partei der Niederlande (NCPN), die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) treffen sich im Rahmen dieser Vier-Parteien-Zusammenarbeit regelmäßig, um ihre Erfahrungen auszutauschen, sich über die Situation in ihren Ländern zu informieren und über gemeinsame Aktivitäten zu diskutieren.
Lehren ziehen aus Erstem Weltkrieg
In diesem Jahr, in dem sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal jährt, war beschlossen worden, eine gemeinsame Konferenz in Aachen durchzuführen, um sich über die Ursachen und Folgen von Kriegen, über die Rolle der Banken und Konzerne sowie über die Möglichkeiten auszutauschen, wie künftige Kriege verhindert werden können. Aus diesem Anlaß hatte die DKP zu einer Demonstration aufgerufen, um in der Stadt Aachen deutlich zu machen, daß die Kommunisten entschiedene Gegner des Krieges sind und gemeinsam, über Grenzen hinweg, für den Frieden einstehen. Die vielen roten Fahnen in der Stadt waren ein klarer Ausdruck dieser Entschlossenheit.
Auf einer Zwischenkundgebung bezeichnete der Präsident der KP Luxemburgs, Ali Ruckert, die Behauptung, die Europäische Union trage zur Friedenssicherung in Europa bei, als eine Lüge. In Wirklichkeit waren Truppen aus EU-Staaten seit den 90er Jahren an Kriegen und militärischen Konflikten in aller Welt beteiligt. Der militärische Einsatz der EU habe keinen Frieden geschaffen, sondern die Welt noch unsicherer gemacht. Der junge niederländische Kommunist Levin Zuehlke charakterisierte in einer kurzen Ansprache die NATO, den bewaffneten Arm des Imperialismus, als moderne Raubritter.
Herwig Lerouge von der PTB forderte auf der Abschlußkundgebung am Kennedypark den sofortigen Rückzug aller Truppen der EU-Länder aus ihren Einsatzgebieten in Asien und Afrika. Patrik Köbele, der Vorsitzende der DKP, erinnerte daran, daß an den Grenzen Europas Flüchtlinge verrecken, während führende Repräsentanten der Bundesrepublik mit der Parole hausieren gehen, Deutschland »stelle sich seiner Verantwortung«. Patrik Köbele betonte, daß die Friedensfrage auch stets eine Klassenfrage sei. »Wir Kommunisten haben das nicht vergessen, und darum sind wir heute auf der Straße.«
Gemeinsam gegen neue Kriege
Am Samstag und Sonntag trafen sich Delegationen der vier Parteien zu ihrer jährlichen Konferenz im Begegnungszentrum Nadelfabrik. Ausgehend von der Situation vor dem und zu Beginn des Ersten Weltkrieges analysierten die etwa 40 Teilnehmer in Referaten und in intensiven Debatten die damaligen Konstellationen, verglichen sie mit den heutigen und zogen Schlußfolgerungen für die Aufgaben ihrer Parteien und Jugendverbände. Das historische Thema erwies sich als von bedrückender Aktualität. Das zeigt die aktuelle Kriegsschulddebatte in der Bundesrepublik, die verschleiern soll, daß die Herrschenden das Konzept der deutschen Hegemonie in Europa auch hundert Jahre später wieder zum Tragen bringen wollen. Heute wie damals sind die Märkte und Ressourcen aufgeteilt, das bedeutet, daß neuer Einfluß und neue Profitquellen nur in aggressiver Konkurrenz zu erobern sind – hier liegt der Keim für neue Kriege.
Die Europäische Union ist kein Projekt, das den arbeitenden Menschen dient, so die wohl wichtigste Schlußfolgerung aus der Diskussion. Durch den Vertrag von Lissabon hat sich die EU als Militärmacht konstituiert und ihre Mitglieder zur »schrittweisen Verbesserung ihrer militärischen Möglichkeiten« verpflichtet. Die verstärkte Militarisierung hat nicht zur Sicherung des Friedens beigetragen, sondern weitere Konfliktherde geschaffen. So erhält der Kampf für den Frieden Priorität für die beteiligten Parteien.
Der Aggressivität nach außen entspricht die Aggressivität nach innen: Die Staaten der EU liefern sich ein Rattenrennen um die besten Standortbedingungen zur Profitmaximierung, und das heißt: maximale Vernutzung der Arbeitskraft und Senkung des Preises dieser Ware, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausgrenzung des »überschüssigen« Teils der Bevölkerung.
Die Konferenzteilnehmer vereinbarten, daß die Analyse des gegenwärtigen Imperialismus gemeinsam weitergeführt werden soll. Sie habe sich als fruchtbar erwiesen und könne in dieser Form von keiner Partei alleine geleistet werden. Die vier Parteien werden in den kommenden Wochen eine gemeinsame Plattform für die Friedensarbeit ausarbeiten und veröffentlichen.
Der besondere Dank aller galt am Ende der Beratung der gastgebenden DKP-Kreisorganisation Aachen und der Aachener SDAJ, die mit vollem Einsatz in der Organisation der Demonstration wie in der Betreuung der Gäste Beispielhaftes geleistet haben.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
Frank Braun
21. Februar 2014
Versiebt und einige Fragen bleiben offen …
Gauck, Merkel und Gabriel einigten sich auf: ‚Germans to the front !’. Sie beeilen sich, den deutschen Kapitalinteressen in Brüssel auch militärisch auf die Sprünge zu helfen. Prompt waren erste weitere Akzente gesetzt, man brachte nämlich ein neues Afrikakorps zum Einsatz.
Gleichzeitig: Die parlamentarische Opposition in Gestalt der Partei Die Linke.- im Übrigen Gysi im Bündnis mit Wagenknecht ! – meiert auf dem Hamburger Parteitag ihre antimilitaristische Parteilinke ab. Man will kollektiv nicht mehr schreiben, daß die EU undemokratisch, militaristisch und neoliberal ist. Das sei zu plakativ sei, zweitens, soll das so nicht stimmen und, drittens, diese Diktion aus dem vergangenen Jahrhundert sei sowieso nicht brauchbar !
Hundert Jahre nach Beginn des ersten Weltkriegs, ebenso Hundert Jahre nach Bewilligung der Kriegskredite durch die Sozialdemokratie und damit deren Einstieg in eine ganz spezielle Karriere als bürgerlicher Kriegspartei scheinen hierzulande politische Dämme zu brechen, ohne daß nennenswerter Widerstand zu verzeichnen ist.
Noch Anfang Januar diesen Jahres, anläßlich der erfolgreichen Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demonstration in Berlin, schienen einige aus diesem Veranstalterbündnis entschlossen, angesichts der unverblümten imperialistischen Attacken gegen Syrien und aktuell auch gegen die Ukraine sowie gegen Venezuela den Antimilitarismus du Antiimperialismus wieder erfolgreich voran zu bringen.
Die DKP hatte sich trotz heftiger interner Linienkämpfe in Berlin gut vorgestellt, hatte die eigenen Reihen gut mobilisiert und sich kurz vorher auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz gut in Szene gesetzt.
Ebenso verdienstvoll war die Initiative der Parteiführung zum Ende letzten Jahres, als man zusammen mit Belgischen, Niederländischen und Luxemburgischen GenossInnen einen Meinungsaustausch vereinbarte und dabei eben auch dieses Datum ‚Hundert Jahre erster Weltkrieg!’ zum Anlaß nahm, gemeinsam auf der Straße zu gehen.
Aber genau an jener Stelle, wo die deutschen kaiserlichen und bürgerlichen Militaristen eben samt ihrer neu-rekrutierten Dreigroschenjungs aus der Sozialdemokratie ihren Kriegswahnsinn in die Tat umzusetzen begannen, in Aachen am Vierländereck, standen am 15.02. nur dreihundert anwesende Friedensfreunde !
Nun ist gegen eine internationalistiche Perspektive gar nichts zu sagen. Aber vom Resultat her erscheint diese Aachener Aktion eher als praktische Politik des bloßen ‚Symbolismus’! Die bundesdeutsche Friedensbewegung ist doch keineswegs schon so auf den Hund gekommen, wie die Beteiligung an der Aachener Aktion nahelegt: Dreihundert Menschen !
Nur, es war keine Aktion dieser Friedensbewegung und das ist schlecht. Der Vorwurf des bloßen ‚Symbolismus’ richtet sich nämlich an die Führung der DKP: Muß man als Kommunist/in – und das bei diesem Anlaß ! – ausgerechnet heute nicht mehr darauf achten, möglichst viel öffentliche Wirksamkeit für anti-militaristischem Protest zu erreichen ?
„Versiebt !“ Nenne ich deswegen diese Initiative der DKP. Und da man von führenden DKP-GenossInnen mehrfach hören konnte, man wolle ja durchaus unter sich bleiben (!) – zusammen mit den GenossInnen aus Benelux, versteht sich, das sei ja wohl legitim ! – , stellt sich die Frage nach dem politischen Wert solcher Avancen !
Erstens, mit der anti-militaristischen Elle der Friedensbewegung gemessen: Für Mobilisierung dieser Art gab es unter der örtlichen Friedensbewegung kein Verständnis (vgl. unter http://www.kraz.ac/index.php/18-antimilitarismus/206-internationale-anti-kriegs-demo-in-aachen) und offenbar auch nicht unter den DKP-Mitgliedern der örtlichen oder regionalen Parteiorganisationen und auch nicht unter jenen aus dem Rheinland, denn auch diese waren quasi nicht vertreten.
Zweitens: Es scheint so zu sein, daß die Mehrzahl der DKP-Ortsgruppen hier im Rheinland von jenen Anhängern sozialdemokratischer Politikkonzepte unter der Ägide von Leo Mayer (DKP-München) und seinen Freunden vom alten DKP-Parteivorstand dominiert werden und die haben sowieso kein Interesse an internationalistischen und revolutionären Friedensdemos, v.a. wenn diese vom derzeiten Parteivorstand initiiert werden. Vielleicht konnte der internationalistische Geist dieser Friedensdemo auf der Straße also gar nicht praktisch und deutlich materialisiert werden, sondern wurde schlicht sabotiert ? Da ist sicher auch etwas dran.
Wenn sich die in der DKP derzeit tonangebenden Kräfte eine kommunistische Erneuerung ihrer Partei wie in Aachen vorstellt, dürfte das Brett, welches da gesägt wird, für anspruchsvollere Aufgaben deutlich zu dünn sein, eben nicht tragfähig. Ein Angebot an außerhalb der DKP stehende KommunistInnen mitzuwirken, die Erneuerung mitzugestalten, war die Aachener Aktion nicht.
Frank Braun, Köln, 21.02.2014