Anforderungen an die antifaschistische Politik der DKP

Posted on 2. Dezember 2016 von


aufstehen-gegen-krieg-und-faschismusAufstehen gegen wen?

von Kurt Baumann

Der Antifaschismus ist ein zentrales Aktionsfeld der kommunistischen Partei in der BRD. Das hat seit 1945 mehrmals die Form, niemals aber den Inhalt gewechselt. In breiten politischen Bündnissen verteidigen die KommunistInnen aktiv die bürgerliche Demokratie. Damit bringen sie die Massenbasis der Monopole in Widerspruch zu ihren politischen Führern. In der Verbindung mit Betriebs- und Gewerkschaftspolitik können diese demokratischen Kämpfe auch Bestandteil der ur-kommunistischen Arbeit zur Formierung der Klasse sein. Die Massenpolitik wird gerade in Zeiten einer beginnenden Desintegration und des beginnenden Aufbaus einer antiparlamentarischen Massenbasis zur unbedingten Notwendigkeit. Bis vor kurzem bestand darin Einigkeit „auf der Linken“.

Es ist zweifellos richtig, nicht von jedem Antifaschisten ein Bekenntnis zum Klassenkampf abzufordern, aber den Kommunisten muss es präsent sein. Wir müssen wissen, dass Antifaschismus Klassenkampf, unter den Bedingungen des Monopolkapitalismus eben antimonopolistischer Kampf ist. Die Monopole und ihr Staat sind der Gegner. Aktionseinheit, organisierte Solidarität, „Wer es ehrlich meint“, sind die Erkenntnisse, die in den aktiven Teilen der Arbeiterklasse reifen. Verankerung, Anerkennung, Solidarität ist der „Lohn“ der KommunistInnen aus diesen Kämpfen. In einigen Beiträgen, vor allem im Rahmen der Debatte um „Aufstehen gegen Rassismus“ scheint diese Erkenntnis, aus denen aber (nur um einige zu nennen) Dimitroff, Ulbricht, Reimann, Carlebach, Angenforth, Schleifstein, Opitz unsere antifaschistische Politik entwickelten, wieder verloren gegangen zu sein. So begründet Heide Janicki in der UZ vom 6.5. ihr Plädoyer für eine Teilnahme an Aufstehen gegen Rassismus nur aus der Angst, sich zu isolieren und mit der Masse der anwesenden Menschen.

Welche Frontstellung einnehmen?

Besonders „Aufstehen gegen Rassismus“ hat nicht nur das Potential, sondern die Absicht nicht gegen die Monopole und die Herrschenden, sondern gegen die Arbeiter „aufzustehen“. [1] Entgegen des aus unserer Geschichte bekannten Zweiklangs von Arbeiter- und demokratischer Politik stehen sich diese hier diametral gegenüber. [2] Allein die Forderung des gemeinsamen „Handelns – auch mit bürgerlichen Demokraten“ [3] hilft ohne Angabe der Richtung dieses Handelns dabei nicht weiter. Unsere Aufgabe wäre also, gegen die bestehenden Linien den richtigen Gegner zu benennen. Dazu müssen Aktionsformen, Forderungen, politische Formen gefunden werden, die den Kampf in die richtige Bahn lenken. Als Jürgen Lloyd in Berlin auf dieser Linie argumentierte, wurde ihm auf news.dkp.de entgegen gehalten, er würde damit gegen die bündnistheoretischen Grundsätze verstoßen. [4]

Um zu handeln, sollte man immer davon überzeugt sein, das Richtige zu tun. Zentrale Handlungsweisen der KommunistInnen: Diskussion, Organisation, Beobachtung der Realität, also Materialismus, Weltanschauung, demokratischer Zentralismus machen keinen Sinn, wenn man sie nicht für Möglichkeiten hält, die Welt verändernd zu erkennen. Postmoderne Beliebigkeit auch nur zu dulden [5] widerspricht kommunistischer Organisation. Konsequenterweise äußert sich auch Männe Grüß vom Sekretariat des Parteivorstands in einem Leserbrief an die jW vom 25.4. so, dass er über eine konsequente Antikriegshaltung den richtigen Gegner zu benennen versucht. Christine Buchholz wehrt im Interview (jW vom 26.4.) diese Haltung ab und rechtfertigt das mit der anzustrebenden Bündnisbreite.

Um niedrigschwelligere Aktionsformen, die wir oben beschrieben haben, davor zu schützen, integriert, also Bestandteil einer sozialliberalen Strategie zu werden, die den Monopolen die Massenbasis sichert anstelle sie ihnen abspenstig zu machen, müssen die KommunistInnen sich dieser Gefahr bewusst sein und von dieser Perspektive aus bestimmte Aktivitäten, Losungen, Aktionen usw. ablehnen und im Rahmen der Bündnistätigkeit auch bekämpfen. „Wenn der Inhalt dieser Aktion nur ist: „Deine Stimme gegen die AfD“ – wie werden die Menschen die Aktion wahrnehmen? Als Unterstützung für Merkels Flüchtlingspolitik? Als Wahlwerbung für eine Rot-Rot-Grüne Koalition?“ [6] Das Vorgehen von Christine Buchholz spricht dafür, dass das nicht nur die Wahrnehmung der Menschen, sondern politische Strategie eines Teils der Linkspartei ist. Passend zur Regierungsbeteiligung im imperialistischen Deutschland geht es – um SPD und Grüne dabei zu haben – nicht mehr um Krieg und soziale Frage. Allerdings ist nicht das Bedürfnis, die Mitglieder und SympathisantInnen dieser Parteien in unseren Kampf zu integrieren falsch, [7] das ergibt sich aus der Notwendigkeit der Gewinnung der Massenbasis der Monopole für ihre Interessen. Es ist falsch, dem herrschenden falschen Bewusstsein nachzugeben, anstatt den richtigen Konsens durch z.B. Kombinationen von Aktionseinheiten von oben und unten [8] durch inhaltliche Überzeugungsarbeit und die gemeinsame Aktion herzustellen.

Der PV beschließt auf seiner Sitzung im Juni, das „politische Anliegen“ der objektiv als rot-rot-grüne Sammlungsbewegung zu charakterisierenden Bewegung positiv zu werten. Das Engagement vieler Menschen gegen Rassismus hätte man durchaus so werten können. Es hätte dann auch mehr dazu gepasst, dass nun, wie das Anfang September auf der zentralen Großdemo in Berlin der Fall war, die Aktionseinheit von unten gewählt wurde. „Die DKP“, so Stefan Natke als Berichterstatter für die UZ „ist nicht Teil des Bündnisses, trat aber mit einem eigenen Block bei der Demonstration auf.“ [9] So wird die Aktionseinheit hergestellt, ohne sich politisch zu kompromittieren, indem man falsche Ausgangsthesen übernimmt. Bei diesem Bündnis genügt es eben nicht, Forderungen hinzuzufügen, wie es der PV-Beschluss tut. Denn der gesamte Aufbau des Bündnisses ist auf Experten geeicht, die der vermeintlich rassistischen Arbeiterklasse erklären wollen, was sie zu denken habe. „Die rote Linie zu ziehen“ heißt eben, Menschen auszuschließen, heißt einen Kampf gegen, und nicht um die Massenbasis zu führen. [10] Diese werden einen dann als Teil des „politischen Establishments“ wahrnehmen. [11]

Klassenbewusstsein oder Integration?

Dem entgegen zu treten, bedarf aber verschiedener Voraussetzungen. Zum einen müssen Integration und die damit verbundenen Fallen erkannt werden. Wer jede Zusammenkunft vieler Menschen beliebig für richtig und gut befindet, ignoriert, dass die Monopole auch politische Bewegung erzeugen oder auch entstandene Bewegungen instrumentalisieren können, sogar müssen um ihre Massenbasis zu erhalten. Es scheint, als würde diese Gefahr in der bisherigen Debatte nicht ernst genommen, obwohl doch bereits frühere Untersuchungen zu den beteiligten Gruppierungen, zur IL, zur Linkspartei, zu Teilen der VVN-BdA, besonders zu Antideutschen genau diese Richtung aufweisen. [12] Zum zweiten muss der Selbstanspruch der KommunistInnen, muss ihr Selbstbewusstsein ausreichen, um ihnen entgegen stehende Auffassungen als solche zu benennen. Gerade in der Fortsetzung der „Besinnung auf das K“, der Benennung des Leninismus, der verstärkten Betonung der eigenen ideologischen Herkunft z.B. über die Begrifflichkeiten der Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus hätte das nahe gelegen. Dieses Selbstbewusstsein heißt aber auch die Verantwortung für die Entwicklung der antifaschistischen Bewegung zu übernehmen. Dieser Verantwortung läuft es zuwider, einen letzten Endes opportunistischen „Wir sind auch dabei“-Ansatz zu wählen, und diesen fälschlicherweise mit den Erfahrungen der Volksfrontpolitik zu argumentieren. Diese Politik war eine Taktik im Klassenkampf und eben keine sozialliberale Integration, denn sie war die grundlegende Erkenntnis, dass es einer demokratischen Politik bedarf um Massen gegen die Monopole (oder ihren reaktionärsten Teil) in Bewegung zu setzen.

Demokratische Politik geht gegen die Monopole und nicht an der Seite der Antideutschen mit ihnen und gegen die Arbeiterklasse. In unserer Tradition gibt es dieses Beispiel der mit offenem Visier geübten offenen und ehrlichen Kritik zuhauf. Als Beispiel sei hier Reinhard Opitz benannt, der seinem demokratischen Bündnispartner Gert Schäfer aus dessen falscher Faschismusanalyse heraus sogar die Nähe zur Totalitarismusdoktrin vorwarf, um diesen, den er eindeutig als Bündnispartner sah, für den gemeinsamen Kampf gewinnen zu können. [13]

Drittens bedarf es der organisatorischen Stärke, dieses zu verankern und handlungsorientierend an die Basis – wo ja die Bündnisarbeit vor Ort gepflegt wird – weiter zu tragen. Dazu bedarf es der gemeinsamen Weltanschauung, des funktionierenden demokratischen Zentralismus also der Einheit der Partei in der Aktion.

Diese Anforderungen sind hoch, aber sie sind an uns gestellt worden und werden an uns gestellt. Die DKP hat als einzige Partei links der SPD bewiesen, dass sie ein politikfähiges Angebot entwickeln kann, sie hat, zumindest bis 1990 bewiesen dass sie die Erkenntnisse der KommunistInnen zum Zusammenhang zwischen demokratischem und sozialistischem Kampf, zum Zusammenhang zwischen Theorie und Organisation versteht und anwenden kann. An diese Linie gilt es anzuknüpfen. Nicht, um sie nachzuspielen, sondern weil wir ohne geschichtlich erprobte Theorie, die man auch Tradition nennen kann, blind sind.

 

Quellen und Anmerkungen:

[1] Medienberichten zufolge sollen auch „Stammtischkämpfer“ für Kontroversen mit potentiellen Wählern der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ausgebildet werden. Vgl. Antirassistische Aktionskonferenz, jW 4.4.2016.
[2] Mit Bezug auf Dimitroff Gregor Thaler: Auch Aufklärung ist nötig, UZ 27.5.2016.
[3] So Nina Hager: Breitestmögliche Bündnisse? Aufstehen gegen Rassismus, UZ 13.5.2016.
[4] Siehe http://kurzlink.de/komm.buendnispolitik und http://kurzlink.de/replik-sander
[5] Als Beispiel für diese Beliebigkeit: Christine Buchholz: Mit Argumenten ausrüsten. Aktionskonferenz: Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ will der AfD entgegentreten, jW 19.4.2016
[6] Olaf Matthes: Zu kleiner gemeinsamer Nenner, in: UZ 29.4.2016.
[7] Es gibt auch diese, als linksradikal zu charakterisierende Kritik, sie referiert Markus Bernhard: „Überfällig“ bis „hinderlich“. Zu breit für Klartext? Linke Meinungen über das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ gehen weit auseinander, jW 7.5.2016.
[8] Hin und wieder wird auch die Ansicht vertreten, man könne nur innerhalb eines Bündnisses wirken. Warum Aktionseinheiten von unten und von außerhalb des Bündnisses nicht möglich sein sollten, wird nicht erklärt. Siehe als Beispiel: Marianne und Günther Wilke: Alarmierender Rechtsruck in Europa fordert Gegenwehr, UZ 27.5.2016.
[9] Stefan Natke: Gegen Krieg und Faschismus, in: UZ 9.9.2016
[10] Andere, in dieselbe Richtung gehende Äußerungen von Vertretern und Teilnehmern des Bündnisses siehe in Olaf Matthes: Ein sehr sehr breites Bündnis, UZ 29.4.2016.
[11] Paul Rodermund: Nutzt die beschlossene Orientierung im Kampf gegen die AfD?, UZ 27.5.2016.
[12] Siehe den Sammelband Susann Witt-Stahl/Michael Sommer: „Antifa heißt Luftangriff!“. Regression einer revolutionären Bewegung, Hamburg 2014, besonders den Beitrag von Jürgen Lloyd.
[13] Reinhard Opitz: Über Faschismustheorien und ihre Konsequenzen, in: Reinhard Kühnl (Hrsg.): Texte zur Faschismusdiskussion, Band I, Positionen und Konsequenzen, Reinbek 1974, S. 219-240