Persönliche Stellungnahme zur Erklärung der KPen der Benelux-Staaten zur Lage in Griechenland

Posted on 9. Juni 2012 von

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von Dr. Hans-Peter Brenner (Mitglied des Parteivorstands der DKP)
Ich unterstütze die Erklärung der drei KPen der Benelux-Staaten, die zur Solidarität mit den griechischen Werktätigen und der KKE aufrufen.
Am 23.05. hat die internationale Abteilung des ZK der KKE in einer ausführlichen Lageanalyse auf viele Fragen Bezug genommen,
die auch von Kommunistinnen und Kommunisten außerhalb Griechenlands an die gegenwärtige Strategie und Taktik des ZK der KKE gestellt werden.
Damit werden meines Erachtens berechtigte Sorgen, die es auch in meinem politischen Umfeld gibt, konstruktiv aufgenommen
und vieles wird in ausreichendem Masse aufgeklärt, was durch die bourgeoisen Medien zur Unsicherheit auch unter Freunden und Sympathisanten der KKE geführt hat.
Zur Charakterisierung von SYRIZA erklärte das ZK der KKE u.a.:

„Einige internationale bürgerliche Massenmedien blieben bei der Vorstellung des SYRIZA als den Gewinner der Wahlen vom 6. Mai nur beim Titel: „Bündnis der radikalen Linken“. Sie kamen zu dem Schluss, es handele sich um eine radikale, linke, wenn nicht sogar eine kommunistische Partei. So eine Darstellung hat nichts mit der Realität zu tun. Wichtigste Kraft innerhalb von SYRIZA ist die Partei „Bündnis der Linken“ (SYN), die ein sozialdemokratisches Programm hat. Sie hat im griechischen Parlament 1992 für den Maastrichter Vertrag gestimmt und ist Unterstützerin der imperialistischen Europäischen Union, die sie als verbesserungsfähig glaubt. Sie hat ein Programm der Verwaltung des kapitalistischen Systems. Sie ist Teil der antikommunistischen Kampagne gegen die UdSSR und die anderen ehemaligen sozialistischen Länder, die wir im 20. Jahrhundert kennengelernt haben. SYN ist Mitglied des Vorstandes der sogenannten „Europäischen Linkspartei“ (ELP), die ein Instrument der EU zur Entziehung der kommunistischen Merkmale von kommunistischen Parteien der EU-Länder ist. …

Neben dem SYN befinden sich Kräfte im SYRIZA, die aus der sozialdemokratischen PASOK stammen, aber auch kleinere linksradikale Gruppierungen, Trotzkisten und ehemaligen Maoisten, die die Rolle des Beiwerks beim sozialdemokratischen und antikommunistischen Hauptgerüst spielen. Hauptziel von SYRIZA ist die Eindämmung des politischen Einflusses der KKE bei Wahlen, in der Gewerkschaftsbewegung. Im letzten Jahrzehnt gibt es viele Beispiele, die den Anti-KKE-Charakter dieser politischen Formation aufzeigen. In vielen Basis- und Spartengewerkschaftsorganisationen und Arbeiterzentren (lokale Vereinigungen von Gewerkschaften) kandidieren und arbeiten Kräfte von SYRIZA mit Kräften von PASOK zusammen, so dass sie die Wahl von Kommunisten in führende Gewerkschaftsorgane verhindern. SYRIZA ist ein Feind von PAME, ein Bündnis von klassenbewussten Gewerkschaften, und sie arbeitet offen in den Gremien der arbeitgebertreuen Gewerkschaftsverbände im privaten (GSEE) und öffentlichen (ADEDY) Sektor. Ähnlich ist ihre Haltung bei lokalen Wahlen. Charakteristisch ist das Beispiel bei den Kommunalwahlen 2010 in Ikaria. Auf dieser Insel, einem ehemaligen Exilort von Kommunisten, hat die KKE großen Stimmeneinfluss. Bei den Wahlen von 2010 trat SYRIZA mit der sozialdemokratischen PASOK, der liberalen ND und der nationalistischen LAOS gemeinsam an, damit kein kommunistischer Bürgermeister gewählt würde. Damals bekam der Kandidat der KKE 49,5% der Stimmen und wegen ein paar Hundert Stimmen wurde ein Bürgermeister aus dem Anti-KKE-Bündnis gewählt.“
Zur derzeit oft gestellten Frage einer gemeinsamen „linken“ Regierung mit SYRIZA heißt es:

„Es gibt nicht wenige politisch interessierte und aktive arbeitende Menschen aus verschiedenen Ländern Europas und der Welt, die die Frage stellen: Warum gibt die KKE nicht etwas nach? Warum besteht sie auf der politischen Linie der Bündelung der gesellschaftlichen Kräfte, die gegen die Monopole, gegen den Kapitalismus und gegen die imperialistischen Vereinigungen ist? Warum soll man für eine Arbeiter- und Volksmacht kämpfen und nicht für eine Politik der „Einheit der Linken“, für eine Verbesserung der kapitalistischen Realität und der EU durch eine Regierungskoalition mit anderen „linken“ und sozialdemokratischen Kräften, wie andere kommunistische Parteien in Europa es tun?

Die KKE hat seit längerer Zeit klargestellt, dass die Begriffe „links“ und „rechts“ nicht mehr der heutigen politischen Realität entsprechen. „Linker“ kann heute der Generalsekretär der NATO oder der Ministerpräsident eines Landes, das einen imperialistischen Krieg führt und arbeiter- und volksfeindliche Maßnahmen trifft, sein. Die Kommunistische Partei ist nicht einfach eine „linke Partei“, sondern die Partei, die für den Umsturz des Kapitalismus und den Aufbau der neuen sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft kämpft. Auf diesem Weg wird es auch Errungenschaften geben und nicht umgekehrt! Wie die Geschichte gezeigt hat, haben die Reformen, der Kampf für eine Verbesserung des kapitalistischen Systems, für die Entschärfung der extremen volksfeindlichen Maßnahmen, d.h. dort wo die opportunistischen-sozialdemokratischen Kräfte ansetzen, niemals und nirgendwo zu einem Umsturz des Kapitalismus geführt. Im Gegenteil. Oft haben sie zur Erstarkung des Kapitalismus geführt durch das Entstehen von Illusionen, dass der Kapitalismus humanisiert werden könne. Als Beispiele seien angeführt, dass sich die Europäische Zentralbank in der heutigen Zeit von einem kapitalistischen Instrument zu einer menschenfreundlichen Institution umwandeln könne, die zinslose Kredite vergibt. Oder,dass sich die EU aus einer Vereinigung im Dienste des Kapitals zu einer „Union der Völker“ entwickeln könne, wie SYN/SYRIZA und die Europäische Linkspartei behaupten.“

Die eigene Grundsatzposition der KKE zur EU wird so skizziert:

„Deswegen propagiert die KKE ihren umfassenden politischen Vorschlag, den sie bei den Wahlen am 6. Mai in folgender Losung spezifizierte: „Raus aus der EU, Volksmacht und einseitige Streichung der Schulden“.

Die KKE bezieht sich dabei konsequent auf den Marxismus-Leninismus. Wie Lenin schrieb: „Das Proletariat kämpft für die Abschaffung der alten Macht. In diese Richtung wird es seine gesamte Propagandaarbeit, die Reifung der Organisation und die Mobilisierung der Massen orientieren. Wenn das Proletariat nicht die gesamte Abschaffung erreicht, wird es von einer Teilabschaffung profitieren. Das Proletariat wird aber nie die Teillösung propagieren, es wird sie nie verschönern und das Volk aufrufen, sie zu unterstützen. Wirkliche Unterstützung des realen Kampfes wird denen gegeben, welche mehr anpeilen, (welche im Falle eines Misslingens weniger erreichen) und nicht denen, welche schon vor Beginn des Kampfes ihre Aufgaben in opportunistischer Weise stützen“. (W. I. Lenin: „ Der Kampf um die Macht und der „Kampf“ um Almosen“, Band 13, Seite 221, griechische Ausgabe).

Die KKE hat die Idee der Bildung einer „Linksregierung“ verworfen, die durch Beibehaltung der Mitgliedschaft Griechenlands in der NATO und EU, sowie mit unveränderten kapitalistischen Produktionsverhältnissen eine volksfreundliche Verwaltung des Systems erreichen würde. Unsere Partei kämpft für die Entwicklung des Klassenkampfes, die Entwicklung politischen Bewusstseins bei den arbeitenden Menschen, dessen Befreiung von dem Einfluss der bürgerlichen Parteien und ihren ideologischen Konstrukten. Sie kämpft für den Aufbau eines gesellschaftlichen Bündnisses, das nicht nur die Interessen der arbeitenden Menschen verteidigen wird, sondern die Entkoppelung unseres Landes von den imperialistischen Interventionen anstrebt und die Machtfrage stellen wird.“

Und zur Problematik der ausreichenden oder zu engen Breite der Bündniskonzeption der KKE heißt es:

„Wenn es aber so wäre, dass die Partei „sektiererisch“ ist, wie kann es dann sein, dass sich beim Kurs des Klassenkampfes und der Konfrontation, den die KKE propagiert, hunderttausende Menschen zusammenfinden? Wie kommt es dazu, dass sich in den Linien von PAME mehrere Gewerkschaftsbasisorganisationen, Branchenverbände und Arbeiterzentren, die hunderttausende Arbeitende vertreten, organisieren?

Erwähnenswert ist, dass bei der PAME, als Klassenpol in der Gewerkschaftsbewegung, 8Branchenverbände, 13 Arbeiterzentren und hunderte Basisorganisationen mit insgesamt 850.000 Mitgliedern vereinigt sind. Zusätzlich ist PAME auch in den Gewerkschaften aktiv, bei denen die klassenbewussten Kräfte nicht die Mehrheit haben. So ist die PAME z.B. zweite Kraft in einer Reihe von Branchenverbänden (wie dem Nahrungs- und dem Metallverband) und in den zwei größten Arbeiterzentren des Landes (Athen und Thessaloniki).

Wie kommt es, dass in der PASEVE (antimonopolistisches Bündnis der Selbstständigen) tausende Selbstständige organisiert sind, die die Notwendigkeit der Konfrontation mit den Monopolen begreifen? Wie kommt es, dass tausende arme Bauern durch ihre Bauernverbände und Kommissionen, von dem Kampf des Kämpferischen Gesamtbauernbündnisses (PASY) gegen die gemeinsame Agrarpolitik der EU inspiriert werden? Wie kommt es, dass Frauen und Tausende von Studenten aus den Arbeiter- und Volksschichten in den Kampf mit den Forderungen und Initiativen des Frauenverbandes Griechenlands (OGE) und der Kampffront der Studenten (MAS) treten? In allen diesen gewerkschaftlichen und gesellschaftlich-politischen Organisationen stehen die Mitglieder und Funktionäre der KKE, ohne es zu verbergen, an der vordersten Front.

Die Beschuldigungen der „Isolation“, des „Dogmatismus“ und des „Sektierertums“ der KP, weil wir eine „Linksregierung“ nicht akzeptieren oder unsere Wahlergebnisse nicht genauso schnell wie die der sozialdemokratischen Formation von SYRIZA steigern, passen nicht zur KKE. Wir erinnern daran, dass vor zweieinhalb Jahren die andere sozialdemokratische Partei, die PASOK, 44% der Stimmen bekommen hat und jetzt nur noch 13%, so dass sie durch diesen Absturz unter Bedingungen politischer Instabilität die ihr nah stehende politische Gruppe, den SYRIZA, unterstützte. Vielmehr kann eine kommunistische Partei, wie die KKE, nicht mit einem einzigen Kriterium, wie die Wahlprozente beurteilt werden.

Was das Thema der Bündnispolitik betrifft, hat unsere Partei bedeutende historische Erfahrungen gesammelt. Sie war führend bei dem antifaschistischen Kampf einer großen bewaffneten Front, die einen erheblichen Beitrag zum Volkskampf leistete. Die Partei konnte jedoch in dieser Periode keine Strategie der Umwandlung des antifaschistischen Kampfes in einen Kampf um den Umsturz der bürgerlichen Herrschaft entwickeln. Die KKE baute „linke“ Bündnisse in den Jahrzehnten von 1950 und 1980 auf. Aus den Erfahrungen der Bündnispolitik hat die KKE wertvolle Schlüsse gezogen und hat auf keinen Fall die Absicht, ähnliche Fehler zu wiederholen.

Warum aber dieser Angriff auf die KKE? Die internationale Aktivität der KKE in Richtung des Wiederaufbaus einer internationalen kommunistischen Bewegung auf der Basis des Marxismus-Leninismus und des proletarischen Internationalismus stört. Von Athen aus begannen die Internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien und andere internationale kommunistische Aktionen. Das Wesentliche ist aber, dass die KKE, eine Partei mit Wurzeln in der Arbeiterklasse und großer Erfahrung in Arbeiter- und Volkskämpfen, sich weigert, ihre Prinzipien zu verlassen, sich als „Schwanz“ der Sozialdemokratie einzuordnen und sich der EU und der NATO unterzuordnen. Die bekannte französische Zeitung Le Monde Diplomatique schrieb in einem Artikel nach den Wahlen: „Verborgenes Ziel und Wunsch aller linken Griechen ist es, die KP aufzulösen, sie auf einer neuen Basis zu erneuern und der griechischen Linken ihren richtigen Platz in der griechischen Gesellschaft zu geben“. Mit anderen Worten soll die KKE untergehen und sich in einem „kommunistischen Alibi“ der Sozialdemokratie bei der Verwaltung der kapitalistischen Barbarei umwandeln, wie einige umgewandelte kommunistische Parteien in Europa es getan haben.

Unser Ziel ist es, ihre Pläne zu durchkreuzen. Wir wollen die KKE bewahren und stärken. Trotz des enormen Druckes auf unsere Partei gibt es Mut machende Zeichen, dass sich die KKE als „eine harte Nuss“ erweisen wird.“

Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten persönlich die Erfahrung gemacht, dass die KKE eine verantwortungsvolle Strategie entwickelt, die unter den Bedingungen ihres Landes eine vernünftige politische Alternative sowohl gegenüber der Politik der Großbourgeoisie als auch des Reformismus und des Sektierertums darstellt.
Es steht mir als einem ausländischen Kommunisten nicht zu, eine Schiedsrichterrolle einnehmen zu wollen und die Politik der KKE mit unseren nationalen Maßstäben zu messen. Meine persönlichen Bewertungen als deutschnr Kommunist mit der imperialistischen EU müssen ohnehin nicht deckungsgleich mit den Einschätzungen der KKE sein, die aus ihrer eigenen Warte und mit ihren eigenen spezifischen Erfahrungen auch zu spezifischen national bedingten besonderen Schlussfolgerungen kommt und auch kommen kann.
Die Bewertung der EU durch die KKE deckt sich aber im Grundsatz mit meiner Meinung und der Meinung des DKP Parteiprogramms, wonach die Eu ein „imperialistisches Konstrukt“ ist.
Die KKE ist in ihrer langen Geschichte durch alle Höhen und Tiefen des Klassenkampfes gegangen, wie auch die deutsche kommunistische Bewegung.

Sie weiß am besten, welche Schritte zu welchem Zeitpunkt für die griechische Arbeiterbewegung die richtigen sind.

Wenn es dabei fehlerhafte Einschätzungen geben sollte, wird sie diese selbst erkennen und korrigieren.

Ich solidarisiere mich deshalb ausdrücklich mit dem Appell unserer Bruderparteien in Luxemburg, den Niederlanden und Belgiens, die zur Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse,

der Gewerkschaft PAME, den antimonopolistischen Kräften und deren Organisationen sowie besonders mit der Kommunistischen Partei Griechenlands, der KKE, aufrufen.