Lurchis lustige Leseecke

Posted on 26. Februar 2020 von


Lurchis lustige Leseecke

Über antimonopolistische Strategie und über die Gefahren, die vom Klimawandel für die Vernunft und von Rentnern für die bürgerliche Demokratie ausgehen

Kontroverse um die antimonopolistische Strategie

In den Informationen zur 11. Tagung des Parteivorstands der DKP [1] ist unter der Überschrift „Strittige Fragen“ eine Kontroverse über die grundsätzliche politische Linie der Parteiführung dokumentiert. Diese Diskussion ist allen Kommunisten und anderen Linken unbedingt zur Kenntnis und zur Fortführung empfohlen. Neben Statements des Vorsitzenden der DKP, Patrik Köbele und seines Stellvertreters Hans-Peter Brenner, sind vor allem die dazu kontroversen Positionierungen von Männe G., Pablo G. und Björn S. interessant.

In Abgrenzung vom quasi regierungsamtlichen „Kampf gegen Rechts“ mit seiner Stoßrichtung gegen den völkischen Nationalismus vertritt Männe G. die These, dass die gegenwärtig zentrale Ideologie zur Durchsetzung der Monopolinteressen in Deutschland – und damit ihre aktuell reaktionärste Form – der EU-Chauvinismus sei. Als eine zeitgemäße Form des Kosmopolitismus sei dieser „für den deutschen Imperialismus ein zentrales ideologisches Moment nach außen und vor allem innen […], um die Unterdrückung und Ausplünderung anderer Nationen und seiner Bevölkerung in Europa zu rechtfertigen“ (S. 35).

Der völkische Nationalismus hingegen (wie er u.a. in der AfD vertreten wird) diene den politischen Vertretern der Monopolbourgeoisie vor allem dazu, mit der antifaschistischen Demagogie eines „Kampfes gegen Rechts“ die EU als Herrschaftsinstrument zu legitimieren – sowohl in Europa, als auch gegen die eigene Arbeiterklasse. Vor diesem Hintergrund dürfe die Erschließung neuer Wählerpotenziale durch die AfD nicht vorschnell als ein Anwachsen von Rassismus und Chauvinismus in der Arbeiterklasse interpretiert werden, sondern spiegele umgekehrt vor allem das Unvermögen der demokratischen Kräfte in unserem Land, die Angriffe auf die Werktätigen adäquat zu erfassen und entsprechenden Widerstand gegen die gegenwärtige Monopoloffensive zu formieren.

In die gleiche Kerbe schlägt Pablo G., der sich ebenfalls gegen die Auffassung im Parteivorstand wendet, die Wahlerfolge der AfD seien eine Regression vormalig sozialdemokratischen Bewusstseins in der Arbeiteraristokratie und vor allem Ausdruck zunehmender rassistischer und nationalistischer Einstellungen in der Arbeiterklasse. Dagegen vertritt er die These einer Repräsentationskrise des bürgerlichen Parlamentarismus, die einen Riss in der neoliberalen Hegemonie offenbart und damit Anknüpfungspunkte auch für einen antimonopolistischen Widerstand biete.

Am Beispiel des EU-Wahlkampfes habe sich veranschaulicht, wie unter den Bedingungen bröckelnder Hegemonie die Formierung der Gesellschaft zur Durchsetzung der Monopolinteressen vorangetrieben werde: Im Zuge der großangelegten Kampagne „Europa. Jetzt aber richtig!“ und flankiert von #unteilbar-Demonstrationen sei eine breite Massenbasis für die Verwendung der EU als Herrschaftsinstrument des deutschen Monopolkapitals geschaffen worden – angetrieben von nahezu allen bürgerlichen Parteien (mit Ausnahme der AfD), inklusive der PdL, der bürgerlichen Presse sowie von Arbeitgeberverbänden und im Schulterschluss mit den Gewerkschaften: „Große Teile der Bevölkerung, einschließlich der Gewerkschaften wurden in die anti-demokratische und anti-soziale Politik der Herrschenden, wofür die EU steht, integriert. [Die Kampagne] rückte zugleich [Forderungen] zur Einschränkung der hemmungslosen Konkurrenz auf dem EU-Binnenmarkt, der Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit und weitere antimonopolistische Forderungen in eine rechte und reaktionäre Ecke“ (41).

Björn S. hingegen konzentriert sich in seinem Statement ausschließlich auf die Differenzen im Sekretariat und im Parteivorstand hinsichtlich der Einschätzung der aktuellen Klimabewegung. Sein Ausgangspunkt bildet dabei die These, dass wir es gegenwärtig mit einer neuen, grünen Offensive des Monopolkapitals zu tun haben. Hintergrund dafür sei ein polit-ökonomischer Umbau zur Hebung der Profitraten: massive öffentliche Investitionen zur “Dekarbonisierung” der Produktion, Verlagerung „dreckiger“ Industrien und Schaffung von neuen Wertpapieren und Zertifikaten zur Umschichtung von Kapital in „grüne“ Anlageobjekte (z.B. E-Mobilität). Für die Arbeiterklasse und die nicht-monopolistischen Schichten bedeute dies einen groß angelegten Angriff auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen.

Hinsichtlich der Charakterisierung der Klimabewegung „Fridays for Future“ (FfF) sei festzustellen, dass sich alle ihre Forderungen gegen die Werktätigen richten: CO2-Steuer, Kohlekraftwerke abschalten, Preiserhöhung durch Änderung des Strommixes, Wohnungsbaustopp, Fahrverbote und ein E-Mobilitäts-Zwang. Vor diesem Hintergrund sei es ein schwerer politischer Fehler, FfF als eine antimonopolistische Bewegung zu charakterisieren sowie die verbreitete Ablehnung dieser Bewegung in weiten Teilen der Bevölkerung als rückständiges Bewusstsein zu begreifen. „Unser ‚Nein zur CO2-Steuer‘ müssten wir zuallererst mit diesen Menschen diskutieren und mithelfen, Keime des Widerstands zu schaffen […]. Es ist ein Drama, dass wir Gefahr laufen, uns von diesen Menschen abzuwenden, und uns stattdessen der von den Grünen und ihrer Wählerklientel geprägten Klimabewegung zuwenden“ (45).

Vernunft- und Klimawandel

Nicht nur die Klimabewegung „Fridays for Future“, die ganze Frage des Klimawandels hat sich in den letzten Monaten zu einer teils sehr emotional geführten Kontroverse entwickelt. Erfreulicherweise sind zwei Publikationen aus dem aufgeklärten Lager erschienen, die als Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion sehr zu empfehlen sind.

So widmete sich die Dezember-Ausgabe des Verbandsorgans der Freidenker sehr umfangreich dem „Klima im Wandel der Zeit“ [2]. Die vielen hochwertigen Beiträge sind allesamt von fachlich versierten Autorinnen und Autoren verfasst und bieten eine sehr umfangreiche Spannbreite der Facetten – angefangen bei einer Einführung in die grundlegenden Fakten und Grundlagen zum Klimawandel sowie den frühen Überlegungen von Marx und Engels zur Ökologie, über eine Entzauberung diverser Mythen des wissenschaftlichen Diskurses und der Manipulationen durch die politisch-interessierte Berichterstattung in den bürgerlichen Medien, bis hin zu ideologiekritischen Erörterungen und der Ausleuchtung der Rolle der Finanzoligarchie bei der Initiierung und Beförderung des gegenwärtigen Klimahypes.

Besonders hervorzuheben ist die das Heft abschließende philosophische Abhandlung Sebastian Bahlos zum Begriff des Anthropozän. Bahlo nähert sich zunächst dem Begriff der Natur über verschiedene Bewegungsformen der Materie, bis er bei der menschlichen Gesellschaft, als die höchste gesetzmäßige Entwicklungsstufe der Natur angekommen ist. Dieses von Geologen als Anthropozän bezeichnete Zeitalter zeichnet sich dadurch aus, dass die Natur erstmals bewusst gestaltet werden kann – eben vom Menschen.

Vor diesem Hintergrund wendet sich Bahlo gegen einen quasi religiösen, idealistischen „kategorischen Imperativ der Naturbewahrung“, der zu einem schonenden Umgang mit Ressourcen aufruft und dem Menschen damit das Recht zur Umgestaltung der Natur abspricht. Die Natur in einem fixen Zustand erhalten zu wollen, wäre ein Handeln gegen die Natur. Denn: Natur sei Entwicklung und der Mensch gleichsam ihr Produkt und Motor. Im Ergebnis konstatiert der Autor: Selbst wenn es tatsächlich bewiesen wäre, dass menschliche Industrie für zunehmende Wetterkatastrophen verantwortlich sei, wäre es nicht rational, „den Schluß zu ziehen, daß eine weltweite Beschränkung des industriellen ‚Treibhausgas‘-Ausstoßes die negativen Folgen für den ärmeren Teil der Weltbevölkerung mildern könnte. Nur industrielles Wachstum, das notwendig mit ‚Treibhausgas‘-Emission einhergeht, kann diese negativen Folgen mildern“ (S. 54).

Angesichts der bestechenden Argumentation Bahlos kann es jeden, der auch nur in Ansätzen einmal mit den Grundlagen des historischen Materialismus und der Dialektik in Berührung gekommen ist, bloß die Schamesröte ins Gesicht treiben, sollte die Rede einmal wieder auf den „ökologischen Imperativ“ oder auf irgendwelchen Gefahren oder Grenzen von steigender Produktivität und wirtschaftlichen Wachstum kommen.

Ähnlich verhält es sich bei einem Blick in die „Aktuellen Beiträge“ der Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR (ISOR e.V.), die sich in der Ausgabe 1/2019 den Diskussionen um Umwelt- und Klimaschutz widmen [3]. Hier gibt der einführende Beitrag von Oberst a.D. Bernd Biedermann einen guten Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und den diesen widersprechenden aktuellen Behauptungen der Klimaschützer. Letztere würden nur davon ablenken, „notwendige Entscheidungen zum Natur- und Umweltschutz zu treffen und durchzusetzen“ (S. 9). Im Fokus der kritischen Auseinandersetzung steht dann vor allem der wissenschaftlich fragwürdige Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoß und der Erderwärmung. Dieser wird zudem in den nachfolgend dokumentierten kritischen Kommentaren von Rainer Rupp auch noch in seinen politischen und ökonomischen Facetten analysiert. Insgesamt ist das ganze Heft geeignet, dem gegenwärtig den Klimadiskurs dominierenden CO2-Wahn vernunftgeleitete Argumente entgegenzusetzen und die Diskussion um den Klimaschutz auf eine sachliche Ebene zu bringen.

Volksverpetzer: der Name ist Programm

Als sich im Januar die Bewegung Fridays gegen Altersarmut (FgA) anschickte, bundesweit für eine Mahnwache in ca. 200 Orten in der gesamten Republik zu mobilisieren, schallte es gleich aus allen Ecken: „Vorsicht, das sind Nazis!“ Entsprechende Mails machten in linken Kreisen die Runde oder wurden von den örtlichen Gewerkschaften (bis hin zu DGB-Bezirksvorsitzenden) versand. Die Aufregung war groß, denn nicht zuletzt der Oma-Umweltsau-Skandal des WDR dürfte dazu beigetragen haben, dass die Facebook-Gruppe von FgA innert kürzester Zeit auf 300.000 Mitglieder angewachsen war. Es bestand also eine ernste Gefahr, dass am 24. Januar massenhaft Nazis auf die Straße gehen würden!

So weit, so deprimierend – insbesondere für den, der sich vor Ort dann wirklich die Kundgebungen dieser Bewegung angeschaut hat. Dort versammelten sich Arbeiter und Angestellte, die wohl am besten als Teil eines deutschen Gelbwesten-Milieus charakterisiert werden können. Die meisten waren offensichtlich das erste Mal in ihrem Leben auf einer politischen Kundgebung. Mag sein, dass mancherorts auch Vertreter der AfD ihre Runden gemacht, warme Worte mit den Anwesenden gewechselt und deren Hände fest geschüttelt haben. Das ist sogar sehr wahrscheinlich, weil alles andere eine politische Dummheit gewesen wäre. Wer dazu definitiv zu blöd gewesen ist? Siehe oben.

Dafür gab es aber vielerorts selbsternannte „antifaschistische“ Gegenkundgebungen, die einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass die Unterstellung, dieser Protest sei ein rechter, zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird: „Dann bin ich jetzt wohl ein Rechter, weil ich etwas gegen Altersarmut tun möchte…“ Die wirklichen Rechten und Neofaschisten jedenfalls, die hie und da sicherlich mitgemischt haben, werden sich ins Fäustchen gelacht haben. Antifaschistische Hegemonie, allerdings, geht vermutlich anders.

Vor diesem Hintergrund lohnt doch ein genauer Blick in die gut recherchierten Artikel, deren Lektüre erfahrene Linke und Gewerkschafter davon abgehalten haben, ihrer politischen Verantwortung nachzukommen. Exemplarisch ist hier ein Artikel der website Volksverpetzer.de [4]. Interessant ist vor allem von welcher inhaltlichen Analyse man sich hat überzeugen lassen. Verdeckt würden hier rechte Feindbilder bedient, heißt es dort: „‚Die Regierung‘ sei einfach Schuld […]. Es wird einfach die simple, populistische Erklärung bedient, ‚die da da oben‘ seien Schuld und wenn man gegen ‚die Elite‘ kämpft, wird sich das Problem auf magische Weise von selbst lösen.“ Hier kommt also der regierungsamtliche „Kampf gegen Rechts“ ganz zu seinem Wesen!

Erstaunlicherweise haben die auf der Facebook-Seite von FgA öffentlich zugänglichen Forderungen, wie z.B. nach Einführung einer Millionärssteuer oder die Abschaffung der Agenda 2010, in keinen dieser investigativen Artikel Eingang gefunden (stattdessen behauptet z.B. der Volksverpetzer schamlos, es gebe gar keine konkreten Forderungen). Das ist umso erstaunlicher, weil gerade solche Forderungen ja wohl absolut keinen Zweifel mehr daran lassen dürften, dass diese Bewegung nicht nur nach allen Seiten hin offen, sondern auch noch zutiefst „reformistisch“ und „staatsgläubig“ ist. Soll sich doch die AfD damit rumschlagen, nicht wahr?!

 

Quellen und Anmerkungen

[1] DKP Intern. Informationen der 11. Tagung des Parteivorstandes. 23./24. November 2019, https://www.unsere-zeit.de/informationen-der-11-tagung-des-parteivorstandes-23-24-november-2019-3096.

[2] Freidenker, Klima im Wandel der Zeit, Heft 4-19, Dez. 2019. Zu beziehen über http://www.freidenker.org. Ausgewählte Beiträge, so auch der von Sebastian Bahlo sind dort frei als PDF zugänglich.

[3] Aktuelle Beiträge, Ausgabe 1/2019 zu Diskussionen um Umwelt- und Klimaschutz. September 2019. ISOR e.V. Download über http://www.isor-sozialverein.de.

[4] https://www.volksverpetzer.de/hintergrund/fridays-for-altersarmut.