Zu Partei- und Organisationsfragen
Es ist schon länger zur bizarren Mode der Revisionisten und Reformisten, der Liquidatoren und Antikommunisten geworden, den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci als Kronzeugen gegen Lenin und den Kommunismus zu inszenieren. Dazu passt das altrömische Sprichwort: Qui asinum non potest, stratum caedit. – Denn um Lenin geht es nur vordergründig. Natürlich wird versucht, mit dem vehementesten Verteidiger des Marxismus gleich in einem Aufwaschen indirekt auch Marx so zurechtzustutzen, dass außer ein wenig Kapitalismuskritik nichts mehr bleibt.
Von Gramsci selbst soll noch weniger bleiben: Natürlich übersieht man gnädig sein Wirken in der KPI und in der Komintern, seine gemeinsam mit Palmiro Togliatti durchgeführte „Bolschewisierung“ der KPI, seine Bewunderung Lenins – ja, seine gesamte politische, ideologische und praktische Tätigkeit vor seiner Inhaftierung im November 1926. Wohingegen man konsequent versucht, aus Gramscis Gefängnisschriften 1929-1935 eine Gegentheorie – gegen Lenin und (etwas subtiler) Marx – zurechtzukonstruieren.
Diese Texte von Gramsci sind freilich nicht in klarer kommunistisch-politischer und marxistischer Terminologie abgefasst, sondern vielerorts in stellvertretenden (historischen) Analogien, mit Synonymen und Umschreibungen, eben in „Sklavensprache“ – dies in Hinblick auf die etwaige Entdeckung und/oder Überprüfung durch die faschistische Gefängnisleitung und die „Justiz“. Das hatte interpretative Folgen: Wer sonst nichts zu tun hat, sucht und findet in mehreren tausend Seiten Gefängnisschriften Gramscis gerne seine große Chance, sein Faible für autistischen Intellektualismus auszuleben und sich mit gammeligen Gramsci-Verwurstungen in aufgeblähten Därmen als Hanswurst der Linken zu bewerben – eine Castingshow der besonders peinlichen Art, rezeptionell zwischen masochistischem Fremdschämen und exhibitionistischem Politporno fürs „special interest“-Publikum angesiedelt.
Sei’s drum! Tatsächlich aber meint Gramsci mit der „Philosophie der Praxis“ nichts anderes als den Marxismus selbst, hinter dem Ringen um Hegemonie verbirgt sich letztlich der ideologische Klassenkampf, bei dem es um das Bewusstsein der Arbeiterklasse (und möglicher Verbündeter) geht, und die Zivilgesellschaft ist schlichtweg die Sphäre des nicht unmittelbar staatlich umgesetzten Überbaus in einer gegebenen Gesellschaft, die Ort dieses Klassenkampfes ist. Da ist nichts, was nicht auch Marx und Lenin vertreten haben oder hätten, wenngleich diese freilich andere Schwerpunkte gesetzt haben, weshalb Gramsci durchaus eine Intensivierung dieser Fragen angerechnet werden soll. Doch übertreiben muss man es nicht.
Uns sollen nun aber insbesondere Partei- und Organisationsfragen bei Gramsci interessieren, wo mit dessen Werk und Wirken natürlich auch viel Unfug be- und getrieben wird. Denn Gramsci muss grotesker Weise gerade immer dann herhalten, wenn es darum geht, kommunistischen Parteien ihre Identität zu rauben und in pluralistische Bewegungspartikel oder sozialdemokratische Beta-Versionen zu verwandeln, sowie statt dem Kapitalismus einfach die Arbeiterklasse als historisches Subjekt „abzuschaffen“. Insofern ist es nützlich wie kurzweilig, bei Gramsci selbst nachzuschlagen.
Schnell zeigt sich, dass Lug und Trug vorherrschen. Natürlich war Gramsci, der ja auch nicht aus Spaß oder Irrtum Mitglied im Exekutivkomitee der Komintern war, kein Gegner Lenins, der Bolschewiki, der Oktoberrevolution oder der UdSSR. Natürlich standen Gramsci und Lenin auf dem gleichen Boden des Marxismus, des Klassenkampfes und der Revolution. Das einzig Erstaunliche ist, wie sehr die antikommunistischen, angeblichen „Gramscianer“ bereit sind, ihren eigenen Intellekt (oder wenigstens ihren Alphabetismus) zu beleidigen, um ihrer Sache einen scheinbar fundierten Anstrich unterzujubeln. Der blättert freilich schnell ab, wenn der bloße Glaube an der Realität gemessen wird. – Tun wir das! Im Folgenden die relevantesten Aussagen Gramscis zum Wesen, zur Organisation und zur Funktion der revolutionären, marxistischen Arbeiterpartei, wobei es nicht einmal nötig ist, diese ausführlicher zu kommentieren, sondern man kann Gramsci sehr gut für sich selbst sprechen lassen. Was sagt Gramsci?
Die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse muss auf den Grundpositionen des Marxismus stehen, fordert Gramsci (hier konkret in Abgrenzung zur alten SP), „die Partei müsste demnach in diesen Lehren einen Kompass haben, um sich in den verwirrenden Ereignissen zurechtzufinden, müsste jene Fähigkeit zur historischen Voraussicht haben, die die intelligenten Anhänger der marxistischen Dialektik auszeichnet. Sie müsste einen auf dieser geschichtlichen Voraussicht beruhenden allgemeinen Aktionsplan haben und in der Lage sein, der kämpfenden Arbeiterklasse klare und genaue Losungen zu geben.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920) – D.h. die Partei benötigt die revolutionäre Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus und muss diese anzuwenden wissen.
Gramsci formuliert als Mission (Aufgabe) der Partei, „das Proletariat, das nichts war, etwas werden zu lassen, ihm ein Bewusstsein zu geben, der Befreiungsbewegung eine klare und durchschlagende Richtung zu verleihen, die in großen Zügen dem geschichtlichen Entwicklungsprozess der menschlichen Gesellschaft entsprach.“ (Die Eroberung des Staates, L’Ordine Nuovo, 12.7.1919) – D.h., die Arbeiterklasse ist mit dem revolutionären, sozialistischen Bewusstsein zu erfüllen. Hierbei geht es um die unerlässliche „Arbeit, die die Partei bewältigen muss, um das politische Niveau der Massen zu erhöhen, um sie zu überzeugen, und auf den Boden des revolutionären Klassenkampfes zu führen“. (Rede vor der politischen Kommission des ZK der KPI, 20.1.1926, Protokoll des Parteitags von Lyon, Critica Marxista 1963/5-6) – Am Beispiel des Kampfes gegen den Faschismus verallgemeinert Gramsci: „Die Arbeiterklasse musste das Bewusstsein von dieser ihrer Funktion und ihrer Position erst gewinnen … Wir meinen, dass die Taktik der Partei immer so beschaffen sein muss, wie es unsere Taktik … war: Die Partei muss die Probleme unverfälscht und unter politischem Aspekt in die Massen tragen, wenn sie Ergebnisse erzielen will.“ (Rede vor der politischen Kommission, PT von Lyon, 20.1.1926)
Ohne Führung durch eine revolutionäre, marxistische Kampfpartei kann die Arbeiterklasse ihre historische Mission der Überwindung des Kapitalismus und des Aufbaus des Sozialismus nicht erfüllen, denn „die charakteristischen Züge der proletarischen Revolution können nur in der Partei der Arbeiterklasse, in der kommunistischen Partei, gefunden werden; sie besteht und entwickelt sich, indem sie die disziplinierte Organisation des Willens ist, einen Staat zu gründen, des Willens, die vorhandenen physischen Kräfte im Sinne des Proletariats zu regeln und die Grundlagen zur Freiheit des Volkes zu legen.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4./9.9.1920) – Es ist die Pflicht der kommunistischen Revolutionäre, der Arbeiterklasse diese Partei zu bieten: „Die Kommunisten … müssen in ihrer Haltung und ihren Aktionen bis zu den letzten Schlussfolgerungen gelangen: sie müssen … dem italienischen Proletariat die kommunistische Partei geben, die fähig ist, den Arbeiterstaat und die Bedingungen für die kommunistische Gesellschaft zu schaffen.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920)
Es ist in diesem Sinne notwendig, dass es „energische Gruppen von Kommunisten gibt, die ihrer geschichtlichen Aufgabe bewusst sind, die tatkräftig und in der Aktion erfahren sind und fähig, die lokalen Massen des Proletariats zu führen und zu erziehen“. (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920). Dadurch werden die fortgeschrittensten Arbeiter entsprechend befähigt: „Die kommunistische Partei ist das Instrument und die historische Form eines inneren Befreiungsprozesses, durch den der Arbeiter von einem Ausführenden zu einem Initiator, von der Masse zum Führer, von dem Arm zu Kopf und Willen wird … so ist es mit dem Arbeiter, wenn er der kommunistischen Partei beitritt, wo er mitarbeitet, … wo er fühlt, dass er eine Avantgarde bildet, die die ganze Volksmasse mit sich zieht.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920) Und dies geht über den Klassenkampf hinaus und ist Bestandteil des Revolution selbst, wie Gramsci am Beispiel der Russischen Revolution zeigt: „Daher musste man die klassenbewusste Propaganda fortsetzen und die Arbeiter dazu bringen, in die Sowjets Delegierte zu schicken, die von der Notwendigkeit überzeugt waren, dass die Sowjets alle Macht im Land übernähmen. Auch dadurch wird der zutiefst demokratische Charakter der bolschewistischen Handlungsweise deutlich, die die Massen selbst politische Fähigkeit und politisches Bewusstsein erwerben ließ, damit sich die Diktatur des Proletariats in organischer Weise installieren und als ausgereifte Form des ökonomisch-politischen Regimes der Gesellschaft entstehen konnte.“ (Das Werk Lenins, Il Grido del Popolo, 14.9.1918)
Nebenbei bemerkt: Gramsci bekennt sich als wahrer Marxist und Kommunist natürlich zur Diktatur des Proletariats, andernorts stellt er klar: „Die Auffassung der III. Internationale, wonach der Klassenkampf zur proletarischen Diktatur führen muss, hat sich gegenüber der demokratischen Ideologie durchgesetzt und verbreitet sich unaufhaltsam unter den Massen … Die proletarische Diktatur will die kapitalistische Produktionsordnung aufheben, will das Privateigentum aufheben, weil nur so die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgehoben werden kann. Die proletarische Diktatur will den Klassenunterschied, will den Klassenkampf aufheben, weil nur so die gesellschaftliche, völlige Emanzipation der arbeitenden Klassen möglich ist. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, erzieht die kommunistische Partei das Proletariat dazu, seine Klassenmacht zu organisieren und sich dieser wohl gerüsteten Macht zu bedienen, um die bürgerliche Klasse zu beherrschen und die Bedingungen festzulegen, durch die die ausbeutende Klasse aufgelöst wird und nicht wiedererstehen kann. Die Aufgabe der kommunistischen Partei in der proletarischen Diktatur ist deshalb: die Klasse der Arbeiter und Bauern endgültig in einer herrschenden Klasse zu organisieren; zu kontrollieren, dass alle Organe des neuen Staates wirklich revolutionär arbeiten und die Vorrechte und alten, durch das Prinzip des Privateigentums bedingten Verhältnisse zerstören.“ (Die Gewerkschaften und die Diktatur, L’Ordine Nuovo, 25.10.1919)
Zur Frage der Partei als Vortrupp stellt Gramsci fest: „Unsere Partei ist eine Klassenpartei und die politische Organisation der Avantgarde des Proletariats. Aufgabe der Avantgarde des Proletariats ist es, die gesamte Arbeiterklasse zum Aufbau des Sozialismus zu führen.“ (Rede vor der politischen Kommission, PT von Lyon, 20.1.1926) Doch dies ist nicht nur einfach ein Anspruch nach außen, sondern v.a. auch nach innen, an sich selbst: „Die Kommunistische Partei ist nicht nur die Vorhut der Arbeiterklasse. Wenn die Partei im Kampf der Arbeiterklasse wirklich die Führung übernehmen will, muss sie auch deren organisierte Abteilung sein. Im kapitalistischen Regime hat sie äußerst wichtige und vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Sie muss das Proletariat auch unter schwierigsten Bedingungen in seinem Kampf leiten und es zur Offensive führen und, wenn die Situation es erfordert, es zum Rückzug führen, um es den Schlägen des Feindes zu entziehen, wenn es damit rechnen muss, von ihm überwältigt zu werden; und sie muss der Masse der Parteilosen die Grundsätze der Disziplin, der Methode der Organisation und der zum Kampfe notwendigen Festigkeit beibringen. Aber die Partei wird ihre Aufgabe nur erfüllen können, wenn sie selbst die Verkörperung der Disziplin und der Organisation ist, wenn sie die organisierte Abteilung des Proletariats ist. Sonst kann sie keinen Anspruch erheben, die Führung der proletarischen Massen zu übernehmen. Die Partei ist also die organisierte Vorhut der Arbeiterklasse.“ (Die Partei des Proletariats, L’Ordine Nuovo, 1.11.1924)
Und die revolutionäre Partei ist die höchste Form der Klassenorganisation der Arbeiterklasse: „Vor allem vereinigt sie in sich den besten Teil der Arbeiterklasse, eine Avantgarde, die direkt mit den nicht zur Partei gehörenden Organisationen des Proletariats, die häufig von Kommunisten geleitet werden, verbunden ist. Zweitens ist die Partei durch ihre Erfahrung und ihre Autorität die einzige Organisation, die in der Lage ist, den Kampf des Proletariats zu zentralisieren und so die politischen Organisationen der Arbeiterklasse in Verbindungsorgane umzuwandeln. Die Partei ist die höchste Form der Klassenorganisation des Proletariats.“ (Die Partei des Proletariats, L’Ordine Nuovo, 1.11.1924) – Wie sie sich im Inneren selbst zentralistische Organisationsprinzipien gibt, ist sie auch zur zentralen Leitung des Kampfes der verschiedenen revolutionären und Arbeiterorganisationen historisch berufen, denn „alle müssen ihre Arbeit unter einer einheitlichen Leitung durchführen, da sie alle einer einzigen Klasse dienen: der Klasse der Proletarier. Wer bestimmt also diese einheitliche Leitung? Welches ist die zentrale Organisation, die sich ausreichend bewährt hat, um diese generelle Linie auszuarbeiten, und die dank ihrer Autorität in der Lage ist, alle diese Organisationen auf diese Linie zu orientieren, die Einheit der Leitung zu erreichen und die Möglichkeit von unbesonnenen Handlungen auszuschalten? Diese Organisation ist die Partei des Proletariats.“ (Die Partei des Proletariats, L’Ordine Nuovo, 1.11.1924)
Um dies zu erfüllen, „muss es eine Partei geben, die ihre nationale Organisation in den Dienst der proletarischen Revolution stellt, die durch Diskussionen und mit eiserner Disziplin fähige Menschen erzieht, die voraussehen können und die kein Zögern und kein Schwanken kennen.“ (Die Hauptverantwortlichen, L’Ordine Nuovo, 20.9.1921). – Sie ist daher nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus zu organisieren: „Auf die Thesen des Zweiten Kongresses der III. Internationale gestützt und in loyaler Disziplin gegenüber der höchsten Autorität der Weltarbeiterbewegung, müssen die aufrichtigen und selbstlosen Kommunisten die notwendige Arbeit leisten … nominell und de facto die Kommunistische Partei Italiens und Sektion der III. Internationale werden. Denn die kommunistische Fraktion muss sich mit einem organischen und stark zentralisierten Führungsapparat konstituieren, mit eigenen disziplinierten Gliederungen überall dort, wo die Arbeiterklasse arbeitet, sich versammelt und kämpft, und mit einem komplexen Instrumentarium zur Kontrolle, Aktion und Propaganda, das sie in die Lage versetzt, sofort als richtige Partei zu fungieren und sich zu entwickeln.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920)
Die Gründung der Italienischen Kommunistischen Partei im Jahre 1921 war notwendig aufgrund des Niedergangs der Sozialistischen Partei: „Der Grund dafür liegt in ihren Traditionen, im historischen Ursprung ihrer verschiedenen Strömungen, im stillschweigenden oder expliziten Bündnis mit dem allgemeinen Gewerkschaftsbund …, in der unbegrenzten Autonomie der Parlamentsgruppe … Die Sozialistische Partei ist ein Konglomerat von Parteien. Sie bewegt sich, aber kann sich nur träge bewegen. Sie ist ständig der Gefahr ausgesetzt, zur leichten Beute von Abenteurern, Karrieremachern und Ehrgeizlingen ohne Ernst und politische Fähigkeit zu werden. Durch ihre Heterogenität, durch die vielfachen Störungen in ihrem Getriebe, das von den Liebedienern ausgehöhlt und sabotiert wurde, ist sie nie imstande, das Gewicht und die Verantwortung für die revolutionären Initiativen und Aktionen auf sich zu nehmen, die die drohenden Ereignisse unaufhörlich von ihr verlangen. Das erklärt das geschichtliche Paradoxon, dass es in Italien … nicht die Partei ist, die die Massen führt und erzieht.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920) – Gramsci wendet sich explizit gegen Beliebigkeit, gegen ideologischen „Pluralismus“, gegen Voluntarismus und die Rolle der Partei als Nachtrab.
Und er stellt fest, es „ist natürlich und historisch gerechtfertigt, dass sich gerade in einer Zeit wie dieser sich das Problem der Gründung einer kommunistischen Partei stellt, die Ausdruck der proletarischen Avantgarde ist, ein genaues Bewusstsein ihrer geschichtlichen Mission hat, die neue Ordnungen schaffen wird und die Initiatorin und Protagonistin der neuen und neuartigen Geschichtsperiode sein wird.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920) Die Revolutionäre, die Marxisten benötigen hierfür „die ausgesprochene Organisation, die Zentralisierung und die eigene Disziplin …, um sich rasch entwickeln, das Gefüge der Partei der Arbeiterklasse … erneuern … zu können.“ (Die kommunistische Partei, L’Ordine Nuovo, 4.9./9.10.1920)
Die Partei muss sich festigen, strukturell und organisatorisch ausbreiten, höchste Aktivität entfalten, Masseneinfluss gewinnen und gezielte Kaderpolitik betreiben: „Die erste Aufgabe unserer Partei besteht darin, dass sie sich ihrer historischen Mission entsprechend rüstet. In jeder Fabrik, in jedem Dorf muss es eine kommunistische Zelle geben, die die Partei und die Internationale vertritt, die politisch zu arbeiten versteht, die Initiative hat. Es muss deswegen noch gegen eine gewisse Passivität in unseren eigenen Reihen angegangen werden, gegen die Tendenz, die Reihen unserer Partei klein zu halten. Wir müssen vielmehr eine große Partei werden, wir müssen versuchen, die größtmögliche Anzahl von revolutionären Arbeitern und Bauern an unsere Organisationen zu ziehen, um sie zum Kampf zu erziehen, um aus ihnen Organisatoren und Führer der Massen zu machen, um sie politisch anzuheben. Der Arbeiter- und Bauernstaat kann nur aufgebaut werden, wenn die Revolution über viele politisch qualifizierte Elemente verfügt: der Kampf für die Revolution kann nur siegreich geführt werden, wenn die großen Massen in ihren lokalen Formationen von fähigen und aufrichtigen Genossen geführt werden.“ (Die italienische Krise, L’Ordine Nuovo, 1.9.1924) – All dies ist unterlässlich für das Erreichen des strategischen Ziels, des Sozialismus.
Im revolutionären Kampf braucht es natürlich Einheitlichkeit: „Die ganze Partei muss mit all ihren Organismen, aber besonders mit ihrer Presse einheitlich arbeiten, um mit der Arbeit eines jeden einzelnen das beste Ergebnis zu erzielen.“ (Die italienische Krise, L’Ordine Nuovo, 1.9.1924) – Demgegenüber ist jeder Fraktionismus nicht nur abzulehnen, sondern vehement zu bekämpfen: „Der Kampf gegen den Fraktionismus kann und muss in ihren Reihen mit aller Entschiedenheit geführt werden.“ (Rede vor der politischen Kommission, PT von Lyon, 20.1.1926)
Man sieht mittlerweile wohl überdeutlich, die in der Überschrift formulierte Frage: „Lenin oder Gramsci?“, stellt sich nicht, denn hier gibt es nichts zu unter- und entscheiden. Die Leninschen Vorstellungen von der Partei – als eigenständige Arbeiterpartei, als marxistische Partei, als Verbindung von Marxismus und Arbeiterklasse, als bewusste und organisierte Vorhut, als höchste Form der Klassenorganisation, als demokratisch-zentralistische Struktur, als einheitliche und disziplinierte Kampforganisation, als Bewusstseins- und Kaderbildnerin, als Lehrerin der Massen sowie als Führerin des Klassenkampfes, der Revolution und des sozialistischen Aufbaus – entsprechen auch Gramscis Standpunkt. Denn Gramsci war ein ausgezeichneter Marxist – und Leninist.
Gramsci versteht die italienische KP eben als „Partei neuen Typs“, als leninistische, bolschewistische Partei, wenn er am Parteitag 1926 sagt: „1921 hat sich unsere Partei auf der Grundlage der Thesen und Beschlüsse der ersten beiden Kongresse der Kommunistischen Internationale konstituiert“ – darunter Lenins 21 Bedingungen für die Komintern-Mitgliedschaft -, und sie bekenne sich auch heute zu dem „von der Zentrale vertretenen Leninschen System“. (Rede vor der politischen Kommission, PT von Lyon, 20.1.1926)
In diesem Sinne tritt Gramsci auch klar für die „Bolschewisierung“ der Komintern-Parteien ein, er „stellt eine geschichtliche Rechtfertigung voran, die den Wert der Arbeit zur ‚Bolschewisierung‘ der Parteien des Proletariats unterstreicht, die nach dem V. Weltkongress und der Erweiterten Exekutivtagung vom April 1925 begonnen hat. Zwischen der Arbeit zur ‚Bolschewisierung‘, die gegenwärtig ihren Abschluss findet, und der Tätigkeit, die Karl Marx in der Arbeiterbewegung ausgeübt hat, besteht eine grundlegende Analogie. Es geht, heute wie damals, darum, gegen jede Abweichung von der Theorie und der Praxis des revolutionären Klassenkampfes aufzutreten; der Kampf vollzieht sich auf dem Gebiet der Ideologie, auf dem der Organisation sowie im Bereich der Taktik und Strategie der Partei des Proletariats.“ (Rede vor der politischen Kommission, PT von Lyon, 20.1.1926)
Da kommt’s jetzt aber ganz dick für die „gramscianischen“ Antikommunisten: Gramsci – nicht nur ein Leninist, sondern auch noch ein „Stalinist“? Incredibile!
Quelle: kominform.at
günter meisinger
8. Oktober 2012
am schluß seiner verwechslung von stalinisierung mit bolschewisierung, fragt euer autor frivol-ironisch, ob gramsci gar ein stalinist war, womit er sagen will: ja, natürlich!
aber ach! natürlich weiß er nicht, daß gramsci in einem langen schreiben an das zk der kpdsu 1926 gegen behandlung und ausschluß der trotzkisten protestierte, und die mehrheit seiner engsten gefährten trotzkisten waren oder wurden; sein KPI-mitbegründer pietro tresso wurde später von stalinisten ermordet.
in seinem schreiben an die kpdsu ist von stalin, der in der oktoberrevolution keine rolle spielte, keine rede. gramsci spricht nur trotzki, sinojew &kamenew -welche die vereinigte opposition bildeten- als verantwortliche genossen &lehrer an. die stalinist. mehrheit fordert er auf, keinen „totalen sieg“ oder „außerordentliche maßnahmen“ gegen diese durchzuziehen. ich zitiere:
Dies, teuerste Genossen, wollten wir Euch im Geiste von Brüdern und Freunden, wenn auch von jüngeren Brüdern, sagen. Die Genossen Sinowjew, Trotzki, Kamenjew haben in starkem Maße beigetragen, uns für die Revolution zu erziehen; sie haben uns einige Male sehr energisch und ernst korrigiert; sie waren unsere Lehrer. Wir wenden uns besonders an sie als diejenigen, die für die gegenwärtige Situation die größte Verantwortung tragen, weil wir sicher sein wollen, daß die Mehrheit des ZK der UdSSR nicht die Absicht hegt, im Kampf einen totalen Sieg zu erringen, daß sie bereit sein möge, außerordentliche Maßnahmen zu vermeiden. Die Einheit unserer Bruderpartei Rußlands ist notwendig für die Entwicklung und den Sieg der revolutionären Kräfte der Welt; dieser Notwendigkeit wegen muß jeder Kommunist und Internationalist bereit sein, die größten Opfer zu bringen. Die schädlichen Folgen eines Fehlers, den eine einheitliche Partei begeht, sind leicht zu überwinden; die Schäden einer Spaltung oder die längerfristige Situation einer latenten Spaltung können irreparabel und tödlich sein.
Mit kommunistischen Grüßen.
Das PB der KPI
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und jetzt ganz schnell wieder gelöscht, und euren genoss(inn)en die wahrheit wieder vorenthalten, ihr komiker!
Tibor Zenker
14. Oktober 2012
Lieber Günter!
Offenbar liegen hier ein paar Fehlinterpretationen und Missverständnisse vor. Die „Verwechslung“ (Gleichsetzung) von Bolschewisierung und Stalinisierung ist ja bewusst dem Repertoire des Revisionismus (seien es eben „Gramscianer“, Eurokommunisten, Sozialdemokraten, Euro-Linke etc.) entlehnt, um in deren „Logik“ zu bleiben. Tut man das, so kann man nur zu dem sodann plötzlich kohärenten Schluss kommen, dass Gramsci dann wohl ein „Stalinist“ sein müsse (man beachte die Anführungszeichen). Eine Fragestellung, die ich keineswegs bejahe, wie du behauptest, zumal – wiederum in der Logik des Revisionismus und wie zu Beginn des Artikels erwähnt – der Antileninismus (z.B. mit Gramsci) in Wirklichkeit auf Marx zielt, der „Antistalinismus“ des Revisionismus aber auf Lenin. Wer den „Stalinismus“ als antikommunistischen und antisozialistischen Kampfbegriff verwendet und entsprechend zusammenkonstruiert, sollte eben aufpassen, dass er dabei nicht auch seine eigenen Hauptzeugen unversehens belastet und diffamiert. – Ich nehme jetzt aber mal an, dass du, Günter, dein Anliegen ohnedies nicht darin siehst, den Revisionismus zu unterstützen. Insofern dies nur zur Klarstellung meinerseits.
Nun zu dem von dir ins Treffen geführten Brief, den du meiner Ansicht nach eher selektiv liest und daher teilweise falsch auslegst. Das Schreiben des PBs der KPI vom Oktober 1926 an das ZK der KPdSU kommt im vorliegenden Text zunächst deshalb nicht prominent vor, weil er im Haupttitel „Lenin oder Gramsci?“ und nicht „Stalin oder Sinowjew?“ heißt, sowie weil er sich, wie im Untertitel kenntlich gemacht, mit Partei- und Organisierungsfragen befasst. Und diesbezüglich behandelt dieser Brief eigentlich nur einen einzigen relevanten Aspekt, den ich aber nun gerne hervorkehre. Grundsätzlich ist der Brief ein Appell an das ganze ZK, eine Spaltung der KPdSU zu vermeiden. In diesem Sinne hofft er auch darauf, dass die Mehrheit (Stalin, Bucharin u.a.) keine außerordentlichen Maßnahmen (z.B. Funktionsenthebung, Parteiausschluss) gegen die oppositionelle Minderheit (Trotzki, Sinowjew, Kamenjew) ergreift – so weit, so gut.
Und der Brief wendet sich tatsächlich vorrangig an die Opposition, jedoch nicht, weil diese von Gramsci mehr geschätzt wird, wie du suggerierst, sondern – Zitat: „Wir wenden uns besonders an sie als diejenigen, die für die gegenwärtige Situation die größte Verantwortung tragen“. D.h. hier wird festgestellt, sie tragen die (größte) Verantwortung im Sinne der Schuld für die damalige schwierige Situation in der KPdSU, in diesem Sinne sind sie die „verantwortlichen Genossen“, wie du schreibst: Wer die Hauptverantwortung für eine unerfreuliche Situation trägt, trägt auch die Hauptverantwortung dafür, sie zu lösen. In dieser Hinsicht werden Trotzki, Sinowjew und Kamenjew auch als „Lehrer“ gewürdigt, von denen man sich in der Vergangenheit gerne korrigieren ließ – aber nun stehen sie selbst in der Pflicht und müssen sich selbst korrigieren.
Hier gibt es also keine Verteidigung dieser Leute, sondern es besteht sogar ein ernster Vorwurf gegen Trotzki, Sinowjew und Kamenjew, nämlich letztlich der Vorwurf, mit einer oppositionellen Plattform Fraktionismus zu betreiben. Der Brief stellt fest, dass – Zitat: „die Verhaltensweise der Opposition die gesamte politische Linie des ZK betrifft und direkt ins Herz der Leninschen Lehre und der politischen Aktion unserer Partei der Sowjetunion stößt.“ Und der Brief fordert von der Opposition, sich wieder zu den leninschen Prinzipien der Einheitlichkeit und der Parteidisziplin zu bekennen und demokratische Mehrheitsentscheidungen als verbindlich anzusehen – das sind die banalsten Grundlagen des demokratischen Zentralismus, die der Brief von der Opposition einfordert. Und wenn sich diese wieder entsprechend verhält, kann man auch sicher gehen, dass keine Sondermaßnahmen nötig sind – das ist die Lösung, die vom PB der KPI dem ZK der KPdSU „nahegelegt“ wird. In diesem Brief werden Trotzki, Kamenjew und Sinowjew daher keineswegs gegen den bösen Generalsekretär und das restliche ZK verteidigt, nicht persönlich, nicht bezüglich ihrer Vorgehensweise und schon gar nicht politisch-inhaltlich.
Denn im Brief steht auch: „Wir erklären heute, daß wir die politische Linie der Mehrheit des ZK der Kommunistischen Partei der UdSSR grundsätzlich für richtig halten“. Die Inhalte der Opposition werden demgemäß abgelehnt. Konkret in der Frage des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft und in der Frage der NÖP wirft der Brief der Opposition reine Demagogie sowie falsche und überholte Positionen vor, die dem Leninismus widersprechen – es heißt (in Bezug auf die NÖP): „In dieser Hinsicht ist es leicht, Demagogie zu betreiben, und es ist schwer, sie zu unterlassen, solange die Frage in den Grenzen des Korporativgeistes und nicht in denen des Leninismus, nicht in denen der Lehre von der Hegemonie des Proletariats gestellt wird, das sich historisch in einer bestimmten Lage befindet und nicht in einer anderen … in diesem Element liegt die Wurzel der Irrtümer des Blockes der Oppositionen wie auch der Ursprung der latenten Gefahren, die in deren Tätigkeit enthalten sind. In der Ideologie und in der Praxis des Blockes der Oppositionen wird völlig die ganze Tradition der Sozialdemokratie und des Syndikalismus wiederbelebt.“
Also ist hiermit klar gesagt: Die Opposition irrt inhaltlich und ihre Tätigkeit ist eine Gefahr. Der Brief ergreift also für die inhaltliche Linie Stalins Partei, methodisch wendet er sich gegen das Agieren der Opposition als Fraktion und fordert dessen Ende. Er will aber – das ist die Botschaft an alle, an Opposition und ZK-Mehrheit – vermieden sehen, dass es zum endgültigen Bruch kommen muss, wofür beide Seiten verantwortlich sind (wir wissen, wie es weiter- und ausgegangen ist).
Möchte man also aus diesem Brief partei- und organisationsrelevante Punkte mitnehmen, so kann man nur feststellen, dass der demokratische Zentralismus nun mal demokratische Mehrheitsentscheidungen, Verbindlichkeit der Beschlüsse, Einheitlichkeit des Handelns, Disziplin und Fraktionsverbot umfasst. Und nur wer sich dazu bekennt und entsprechend handelt, kann auch umgekehrt erwarten, dass er ohne Sondermaßnahmen behandelt wird. Das kommt im Prinzip alles ohnedies in meinem Artikel vor, auch ohne dass es hierfür nötig war, mit Hilfe dieses Briefes dies anhand der von Gramsci kritisierten Personen Trotzki, Sinowjew und Kamenjew zu zeigen.
Man kann das alles natürlich anders sehen als das damalige PB der KPI inklusive Gramsci (was legitim ist und du ja vermutlich tun wirst). Aber ich denke, man kann und sollte nichts anderes aus diesem Brief herauslesen, wenn man den gesamten Inhalt genau nimmt (und den Kontext kennt). Das macht Gramsci nicht zum „Stalinisten“, aber er ist abermals als Leninist gekennzeichnet. Darum geht es mir.
Grüße aus Wien,
Tibor
günter meisinger
4. Februar 2013
meine antwort auf tibor´s antwort
hallo tibor,
nun habe ich mit fast 4monatiger verspätung deine antwort auf mich bemerkt- da ich nur noch selten hier reinschaue, mir zwar artikel, aber scheinbar keine leserbriefe zugemailt werden. außerdem wurde auch meine antwort auf dich zunächst mal hier gelöscht- wie alles was ich je hier postete, eingeschlossen kritische stellungnahmen marxist. wissenschaftlicher zu hh holz (wie findest du das?). mein in diesem fall noch verspätet abgedrucktes posting kann ich mir nur mit den protesten auf anderen websites erklären, denn einen originalbrief von gramsci nicht abzudrucken ist schon ein zensurskandal (da könnte man auch texte von marx, engels, lenin zensieren). vielleicht dachte die redaktion auch, du könntest mir eine vernichtende antwort geben. wie dem auch sei, ich empfinde deine antwort eher als eine meisterleistung in verdrehung und demagogie.
das fängt schon damit an, daß du nur vom revisionist. antistalinismus sprichst (als könne man nicht aus rev. gründen gegen stalin sein) statt richtigerweise vom stalinist. revisionismus. ja, stalinismus gab es angeblich gar nicht („nur ein kampfbegriff der bourgeoisie“). folgerichtig deutet ihr den im ostblock zusammengebrochenen stalinismus euch als „chrustschowianismus“ um, womit teile der dkp sich spät die einschätzung der einstigen maoist. erzfeinde zu eigen machen, die schon immer meinten, daß bis zum 20.parteitag 1956 in der SU der sozialismus geherrscht habe, und nach dem parteitag -schwupp!- hinweggeputscht war. dies ist eine unmarxist., operettenhafte vorstellung von sozialismus. denn revisionismus ist immer eine längere entwicklung, deren resultate nicht über nacht kommen. also entweder muß soz. noch nach dem parteitag geherrscht haben -dann war chrustschow nicht der alleinige verräter- oder der soz. war vorher schon weg (was ich sage), dann war es hauptsächlich stalin´s schuld, der viel länger dran war als C. aber dies nur nebenbei; ebenso wie die kleine anmerkung, daß euer hochgeschätzter losurdo in seinem unsäglichen gramsci-buch im gegensatz zu dir nicht den leninismus gramsci´s herauszuarbeiten suchte, sondern deren unterschiede. aber das sind eure widersprüche. ich verweise dazu auf meinen langen, an mehreren stellen im net zu findenden artikel „wie geistesgestört sind heutige stalinisten?“, der u.a. nochmal alle wesentl. konterrev. verbrechen des unmarxist. stalinismus festhält.
jetzt nochmal zu deiner gramsci-einschätzung:
das wort „verantwortliche“ der partei mit denen gramsci 1926 führende genossen wie trotzki, sinojew u.a. anspricht, verwandelt sich in deiner unredlichen interpretation in „schuldige an allen problemen der partei“. dabei unterschlägst du allen deinen unwissenden genoss(inn)en, daß gramsci nur bis 1926 auch kritik an der parteiopposition äußerte -nur in taktischen fragen- um sich danach immer vehementer gegen stalin zu stellen.so war er auch der erste öffentl. kritiker der sozialfaschismus-these. seine frau in moskau durfte ihm nicht schreiben, weil er in ungnade gefallen war. intern wurde sein ausschluß diskutiert. als er im gefängnis verstarb, entschied man sich, aus ihm eine märtyrer-ikone zu machen.
selbst der stalinist togliatti wäre beinahe durch die mühle der säuberungen gedreht wurden, weil er der blinden verurteilung von trotzki´s nicht verlesenem brief über china nicht zustimmte sowie bei einer komintern-sitzung als einziger es „wagte“, eine lüge thälmanns über sinowjew zurückzuweisen.(kannst du ausführlicher in dem buch „notausgang“ von ignazio silone nachlesen, der damals mit togliatti die KPI-delegation in der komintern leitete. in meinem erwähnten artikel zitiere ich daraus ausführlicher die eben erwähnten episoden.) in einer solchen atmosphäre der beginnenden hexenjagden flocht auch gramsci mal die formulierung mit ein, eigentl. würde man ja der politik der mehrheit des zk´s zustimmen. doch dann mehrten sich die wenn´s und aber´s…. für jeden der gramsci´s werk kennt, verbietet es sich völlig, darin große ähnlichkeiten mit stalin´s auffassungen zu sehen; analogien zu trotzki´s auffassungen finden sich umso häufiger, und nicht zufällig wurden die engsten mitarbeiter gramsci´s zu trotzkisten- ein bereits erfolgter hinweis, den du lieber übergangen bist. denn da läßt sich wirklich kein zufall behaupten.
nun nochmal kurz zum demokr. zentralismus, der sich für dich in der unterordnung der mehrheit unter die minderheit zu erschöpfen scheint, und daß die unterlegenen dann eben die beschlüsse mittragen. das ist schonmal lebensfremd, denn wenn jemand nach außen einen beschluß aktiv vertreten soll, von dem er innerlich nicht überzeugt ist, merken ihm das die menschen an und halten ihn für einen lügner. ursprünglich erlaubte der demokr. zentr. mal der unterlegenen minderheit, weiterhin offensiv für ihre auffassungen zu werben. dann ging erst dies verloren. dann kam das fraktionsverbot von lenin (m.E. ein schwerer fehler, auf den stalin aufbauen konnte), weil er mitten im bürgerkrieg angst um die einheit der partei hatte. (trotzki hatte dem zugestimmt- das wendete sich später gegen ihn selbst.) doch wollte lenin die aufhebung des fraktionsverbotes nach dem bürgerkrieg. doch kaum war der vorbei, verstarb er und stalin behielt das natürlich dabei. seit dieser zeit war „fraktionist“ (-das sind die T&P-leute gerade selber in ihrer partei!) ein vorwurf, der zum ausschluß oder zum todesurteil führen konnte. bizarr, wenn man bedenkt welch große fraktionier die bolschewiken selbst am anfang ihrer geschichte waren. innerparteiliche demokratie muß fraktionsrecht beinhalten. und leute, die hier meist alles löschen, können andere so schlecht über demokratie belehren, tibor. mal sehen, ob diese antwort an dich nochmal durchgeht, oder ich sie wieder an anderen stellen veröffentlichen lassen muß.
günter meisinger
6. Februar 2013
tippfehler: im beginnenden letzten abschnitt zum demokr. zentralismus muß natürlich von der unterordnung der minderheit unter die mehrheit die rede sein, nicht umgekehrt.
und das fertige wort sollte „fraktionierer“ heißen.
Tibor Zenker
19. März 2013
Lieber Günter!
Danke für deine Reaktion auf meine Gedanken, die für mich natürlich auch wiederum Anlass zur Revision sind. Ich möchte mir nicht anmaßen, mich einzumischen in Fragen der Auseinandersetzung der DKP und ihres Umfeldes, um den’s da offensichtlich auch geht.
Für uns beide bleibt nicht viel mehr, als den Dissens festzustellen. Ich habe alle Feststellungen meinerseits mit Zitaten beleget, und es bleibt dir natürlich unbenommen, das zu ignorieren. Ich würde lediglich empfehlen – keine Ahnung, wie ihr es außerhalb von Österreich handhabt -, vielleicht dem Gegenüber doch mit ein wenig mehr Respekt gegenüberzutreten, als wenn es für dich nur noch darum geht, wie viel „Geistekrankheit“ bei den anderen zu konstiatieren wäre. Ansonsten alles Gute!
RF!
Tibor